Vogelperspektive Göschenen

Die zweite Röhre des Gotthard-Strassentunnels: Ein Jahrhundertbauwerk entsteht

Andermatt, 23. April 2025

Seit November 1980 rollt der Verkehr durch den Gotthard-Strassentunnel, die zentrale Nord-Süd-Verbindung der Schweiz. Nun entsteht 70 Meter östlich der ersten Röhre ein zweiter Tunnel. Bei einer exklusiven Baustellenbesichtigung erhielten wir faszinierende Einblicke in dieses Grossprojekt, das Ingenieurskunst auf höchstem Niveau erfordert.

Der Baustellenbesuch beginnt im Infozentrum beim Bahnhof Göschenen.

Infozentrum Göschenen: Einblicke in die Welt der Grossbaustelle gewinnen.

Eine Baustelle der Superlative

Mit einer Länge von 16.9 Kilometern ist die zweite Tunnelröhre exakt genauso lang wie die erste. Die Bauarbeiten erstrecken sich über zehn Jahre. Seit 2020 laufen die Vorarbeiten in Göschenen und Airolo, im Jahr 2024 nahmen die zwei Tunnelbohrmaschinen auf der Urner und Tessiner Seite ihre Arbeit auf. Wenn alles nach Plan verläuft, treffen sich die Bohrteams im Sommer 2026 in der Mitte – ein Meilenstein, der als «Durchschlag» gefeiert wird.

Zu Fuss geht es in den Berg.

Die Heilige Barbara, Schutzpatronin der Tunnelbauer, wacht auch hier über das Geschehen.

Ende 2029 sollen die ersten Fahrzeuge durch die neue Röhre fahren. Anschliessend wird der bestehende Tunnel renoviert, sodass ab 2032 ein neuer Betrieb mit jeweils einer Fahrspur pro Richtung starten kann. Im Einklang mit der Alpenschutzinitiative, die den alpenquerenden Transitverkehr reguliert, wird die Kapazität nach wie vor auf maximal 1’000 Personenwagen und 150 Lastwagen pro Stunde und Richtung begrenzt.

Auch unter Tageslicht herrscht reger Betrieb.

Die Kraft des Berges wird gebändigt: Der Zugang zur zweiten Röhre.

Eine Herausforderung mit ungewisser Dynamik

«Tunnelbau ist Improvisation von Tag zu Tag – wie schnell es vorangeht, entscheidet schlussendlich der Berg», erklärt Charly Simmen, Sicherheitsbeauftragter auf der Urner Seite. Jede geologische Besonderheit kann den Baufortschritt beeinflussen und erfordert flexible Lösungen. Der neue Tunnel erhält ein rundes Profil mit einem Durchmesser von 12.7 Metern. Die Tunnelbohrmaschinen sind beeindruckende 115 Meter lang und arbeiten sich täglich 12 bis 20 Meter durch den Berg, wobei direkt sechs Betonelemente eingesetzt werden, die den Tunnelring bilden.

Der Beton wird über einen Nebenstollen zur Weiterverarbeitung geliefert.

Der Beton für die Tunnelwände wird in die Formen gegossen.

In einem riesigen «Steamer» wird die Aushärtung der Betonelemente beschleunigt.

Eine besondere Herausforderung stellt die Störzone bei Hospental dar: Problematisches Material könnte hier den Vortrieb erschweren. Um sicherzustellen, dass die Bohrmaschine problemlos weiterkommt, wurde ein Nebenstollen angelegt, um den Vortrieb des Tunnels gezielt mit dem Bagger voranzutreiben. Erst in etwa einem Jahr wird die Maschine diesen Bereich erreichen.

Nachhaltige Nutzung des Ausbruchmaterials

Beim Tunnelbau fallen rund 7.4 Millionen Tonnen Ausbruchmaterial an – eine enorme Menge. Doch fast alles davon kann wiederverwendet werden. Statt entsorgt zu werden, wird es aufbereitet und für den Tunnelbau, insbesondere für Beton, wiederverwendet. Zudem kommt es bei der Seeschüttung im Urnersee zum Einsatz.

Ein einzigartiges Bauprojekt

Eine Baustellenbesichtigung am Gotthard ist immer ein besonderes Erlebnis, denn der Betrieb ist hochdynamisch: Die Arbeiten, Herausforderungen und Fortschritte verändern sich ständig. Der Bau der zweiten Gotthardröhre ist jedoch ein beeindruckendes Zeugnis moderner Ingenieurskunst. Wir freuen uns darauf, die Entwicklungen weiterzuverfolgen und sind gespannt, wie sich das Projekt in den kommenden Jahren entfalten wird.

Fern vom Tageslicht, mitten im Berg, wird einem bewusst, wie gross die Natur wirklich ist.

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